Wahlsystem: Proporzwahlen

Die Suche nach dem gerechten Wahlsystem ist anspruchsvoll und dauert in Basel-Stadt schon etliche Jahre, wie die diversen Anpassungen am Wahlgesetz
bezeugen. Die aktuellste Änderung wird erstmals bei den Parlamentswahlen
2020 zum Zuge kommen und mit der Abschaffung des Quorums wohl dazu führen, dass auch kleineren Parteien der Eintritt in den Grossratssaal ermöglicht wird. Wie wären die Wahlen 2016 ohne dieses Quorum ausgegangen? Wie sähe das Wahlergebnis von 2016 nach anderen Berechnungsarten aus und wie würde sich die Sitzverteilung verändern?

Gesamterneuerungwahlen 2020 - Abschied vom Quorum

Seit der Verkleinerung des Grossen Rates auf 100 Sitze im Jahr 2008 hat das Wahlgesetz zahlreiche Anpassungen erfahren. Im Oktober 2020 wird die Sitzverteilung erstmals ohne Sperrklausel (Quorum) vorgenommen. Im jetzigen Parlament wären so zusätzlich drei kleine Listen vertreten.

Wie sähe das Parlament 2017-2021 ohne Quorum aus?

Erwartungsgemäss bewirkt die Abschaffung des direkten Quorums von 4% je Wahlkreis, dass auch kleinere Listen die Chance erhalten, einen Sitz zu erreichen.

  • 2016 hätten die vom Quorum profitierenden etablierten grossen Parteien FDP, LDP, SP, GB und SVP jeweils Sitze abgegeben.
  • Vom Wegfall der Sperrklausel am stärksten profitiert hätte die gemeinsame Liste von EVP und BDP, die in den drei städtischen Wahlkreisen angetreten ist und je einen Sitz geholt hätte. Erstere hätte auch schon 2012 in allen Wahlkreisen jeweils einen Sitz erobert.
  • Im Wahlkreis Kleinbasel hätte sich die GLP sowohl 2012 als auch 2016 einen Sitz gesichert.
  • Die nur im Kleinbasel angetretenen Listen VA und FUK wären 2016 ebenfalls in den Grossen Rat eingezogen.

Wahl 2016 nach Wahlkreis (Sitzveränderung) und Berechnungsart (Sitzverteilung)

Liste GO GW KB RI     IST ohne Q NZZ TS
FDP 0 -1 -1 0   10 8 9 9,22
LDP -1 0 0 0   14 13 14 13,77
EVP na na na 0   1 1 1 1,37
EVBDP +1 +1 +1 0   0 3 3 2,63
SP 0 0 -1 0   34 33 33 32,47
CVP 0 0 0 0   7 7 6 5,85
GB 0 0 -1 0   14 13 13 13,35
EDU na na na 0   0 0 0 0,11
GLP 0 0 +1 0   4 5 4 4,31
SVP 0 0 -1 0   15 14 14 14,29
VA na na +1 na   0 1 1 1,01
FUK na na +1 na   0 1 1 0,61

Wahlkreiskürzel: Grossbasel Ost (GO), Grossbasel West (GW), Kleinbasel (KB), Riehen (RI); na = nicht angetreten. NZZ = Neue Zürcher Zuteilungsmethode (mit Standardrundung), TS = Theoretischer Sitzanspruch aufgrund des gesamtkantonalen Wähleranteils.

Sperrklauseln und Wählerwillen

Begründet werden Sperrklauseln bei Proporzwahlen meist damit, dass eine grosse Zersplitterung der Mandate verhindert und durch Ausschluss von Kleinstgruppierungen die Effizienz des Parlamentsbetriebs sichergestellt werden soll. Dem entgegen steht das Postulat der Erfolgswertgleichheit, wonach möglichst alle Wählenden mit der abgegebenen Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben sollen. Durch direkte Sperrklauseln verfallen Wählerstimmen und gelangen damit gar nicht erst zur Sitzverteilung. Als Mass für die Abbildung des Wählerwillens durch die Sitzverteilung bietet sich der Vergleich der im Parlament effektiv erreichten Sitze mit dem theoretischen Sitzanspruch (TS) an, der sich aus dem gesamtkantonalen Wähleranteil ableitet.

Natürliches Quorum als Alternative

Mit der Abschaffung des direkten Quorums hat sich das Parlament für eine Zunahme der Erfolgswertgleichheit und somit eine bessere Abbildung des Wählerwillens entschieden. Was noch übrig bleibt, ist das natürliche Quorum in jedem Wahlkreis. Dieses ergibt sich aus der Wahlkreisgrösse und der Anzahl Listen, die sich für die Sitze bewerben. Da eine Aufhebung der Wahlkreise im Moment nicht zur Diskussion steht, könnte sich ein Sitzzuteilungsverfahren anbieten, welches die Repräsentation im Parlament möglichst nahe am gesamtkantonalen Wähleranteil garantiert. Ein solches Verfahren ist die seit 2006 im Kanton Zürich angewandte «Neue Zürcher Zuteilungsmethode», welche unterdessen auch in den Kantonen AG, SH, NW, ZG und SZ zur Anwendung gelangt.

Änderungen im Wahlgesetz seit 2008

Auf die Gesamterneuerungswahlen 2012 hin wurden

  • die Listenverbindungen abgeschafft,
  • das Sitzzuteilungsverfahren auf Sainte-Laguë geändert und
  • die Sperrklauseln angepasst: Während 2008 noch 5% der Wählerstimmen in einem einzigen Wahlkreis genügten, um bei der Sitzzuteilung in allen Wahlkreisen zugelassen zu sein, musste 2012 und 2016 eine Liste jeweils pro Wahlkreis die 4%-Hürde schaffen, um dort bei der Sitzverteilung berücksichtigt zu werden.

Von diesen Anpassungen nicht betroffen ist die Gemeinde Bettingen, die den ihr zustehenden Sitz in einer Majorzwahl ermittelt.