265 Jahre Basler Klimageschichte

Für das Verständnis klimatischer Entwicklungen sind langjährige Zeitreihen von grundlegender Bedeutung. In Basel werden seit 1755 täglich meteorologische Messungen durchgeführt – ein enormer Datenschatz, der auch in allen bisher erschienenen Ausgaben des Statistischen Jahrbuchs enthalten ist.

6 Grad Mitte September

6 Grad – das ist doch relativ kühl für einen 15. September am Heuberg 16 in Basel, noch dazu um die Mittagszeit. Und auch -1 Grad am darauffolgenden Morgen muten eher winterlich als spätsommerlich an. Vor genau 260 Jahren, am 15.9.1761, wurden dennoch exakt diese Werte fein säuberlich durch Johann Jakob d’Annone, späterer Professor für Eloquenz sowie des Codex und Lehensrechtes an der Universität Basel, in seine handschriftlichen Aufzeichnungen eingetragen – so, wie er es bereits seit dem Jahr 1755 jeden Tag drei Mal (um 7, 12 und 21 Uhr) tat und auch noch die kommenden 43 Jahre tun würde. Dass er dabei an diesem 15. September trotzdem keine Handschuhe tragen musste, dafür sorgte die Umrechnung der von ihm verwendeten Skala nach Micheli du Crest in die heute gebräuchlichen Grad Celsius: Es war doch immerhin 18 °C warm (und am nächsten Morgen rund 11 °C).

Verschiedene Mess-Standorte in Basel

Die Messungen, welche Professor Johann Jakob d’Annone im Jahr 1755 begann, werden noch heute dreimal täglich durch den privat getragenen Meteorologischen Verein der Region Basel (www.klimabasel.ch – dort findet sich auch ein spannender Abriss der Geschichte der Messungen) weitergeführt. Nur der Standort der Messungen innerhalb der Stadt wurde über die Jahrhunderte mehrmals geändert: Er befand sich, nach verschiedenen Orten in der Altstadt, zwischen 1874 und 1941 längere Zeit im Garten des Bernoullianums und liegt seit 1929 (beim Bernoullianum wurde noch 12 Jahre parallel dazu weiter gemessen) auf dem Margarethenhügel bei der Meteorologischen Station Basel-Binningen. Durch die Änderungen der Standorte und Messgeräte wurde eine relativ aufwendige statistische Angleichung der alten Messreihen an diejenige des jüngsten Standorts nötig. Die sogenannte Homogenisierung der Zeitreihe wurde in den 1950er-Jahren vorgenommen und ist detailliert beschrieben in: Bider, M., Schüepp, M., von Rudloff, H. (1959): Die Reduktion der 200-jährigen Basler Temperaturreihe.

Standorte der Messungen in den letzten 265 Jahren

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Eine der längsten klimatologischen Messreihen weltweit

Insbesondere dank dieser Homogenisierung können wir heute auf eine der längsten klimatologischen Messreihen weltweit zurückblicken – und die klimatologische Entwicklung für Basel seit 1755 analysieren. Nicht nur für die mittlere Jahrestemperatur, wie sie beispielsweise als Zeitreihe im Umweltbericht beider Basel abgebildet ist, sondern auch differenziert nach verschiedenen Merkmalen.

Entwicklung der Jahresmitteltemperatur in Basel (Umweltbericht beider Basel)

Entwicklung der Jahreszeiten

Aus der Betrachtung der Temperaturentwicklung für die einzelnen Jahreszeiten ist ersichtlich, dass die mittlere Temperatur für den Winter den grössten Schwankungen unterliegt, mit regelmässigen Werten im negativen Bereich – bis Mitte des letzten Jahrhunderts. Das letzte Jahr, in welchem in den Monaten Dezember bis Februar im Mittel Minustemperaturen gemessen wurden, war 1985 mit -0,8 °C, der letzte aussergewöhnlich kalte Winter 1963 mit -4,2 °C. Seither sind die Wintertemperaturen einem stetig steigenden Trend unterworfen; am wärmsten seit Messbeginn war der Winter 2019/20 mit 5,5 °C.

Für die anderen Jahreszeiten ist das grobe Bild ähnlich: Bei den Sommern (Jun/Jul/Aug) stechen sowohl der «Hitzesommer» 2003 als auch das «Jahr ohne Sommer» 1816 heraus, welches schon in eine Phase von mehreren eher kühlen Jahren fiel. Der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora war 1816 durch den Ausstoss enormer Aschemengen bis in die höhere Atmosphäre mitverantwortlich für Ernteausfälle, Hungersnöte, Unwetter und Schneefall bis in tiefere Lagen. Auch für Frühling (Mär/Apr/Mai) und Herbst (Sep/Okt/Nov) schliesslich ist der Trend hin zu wärmeren Temperaturen in Basel klar ersichtlich.

Vergleich der Klima-Normperioden

Als Referenzgrössen werden in den Klimawissenschaften oft sogenannte Klima-Normperioden (30-jährige Mittel) angegeben. In der ersten, nicht ganz vollständigen Normperiode von 1755-1780 war der September im Mittel 14,2 °C warm – J. J. d’Annone hatte am 15.9.1761 also wohl einen eher durchschnittlichen Tag erwischt. Die Differenz der Mittelwerte für die einzelnen Monate zur ersten Normperiode zeigt eindrücklich, dass die erst kürzlich zu Ende gegangene Normperiode 1991-2020 in allen Monaten die bislang mit Abstand wärmste war: Die mittleren Januartemperaturen lagen in den letzten 30 Jahren ganze 4,2 °C höher als in den ersten 26. Allerdings waren sie bereits in der zweiten Normperiode 1781-1810 schon um 1,5 °C erhöht. Während sich die Wintermonate wie bereits erwähnt immer schon durch stärkere Temperaturunterschiede ausgezeichnet hatten, liegen die Monate April bis September der Normperioden bis 1990 in einem Bereich von -1,1 bis +0,9 °C gegenüber den Monaten der ersten Normperiode. 1991-2020 sind diese Monate dann zwischen 1,2 und 2,0 °C wärmer, liegen also deutlich über allen anderen Normperioden.

Klimafolgen und Stadtklima

Der Kanton Basel-Stadt setzt sich seit einigen Jahren stärker mit möglichen Klimafolgen, Handlungsfeldern und Massnahmen auseinander und informiert seit 2011 regelmässig darüber, zum Beispiel mit dem Klimaschutzbericht 2019. Im Juli 2021 wurde zudem das Stadtklimakonzept verabschiedet, welches auf einer umfassenden Stadtklimaanalyse beruht. Diese zeigt unter anderem auf, welche Gebiete heute und künftig Wärmeinseln, also Orte mit stärkerer thermischer Belastung, sind und welche Kaltluftschneisen für die nächtliche Zufuhr kühler Luft sorgen. Die Meteorologische Messstation Basel-Binningen liegt mitten in einem solchen Kaltluft-Durchflussgebiet – man kann also davon ausgehen, dass die Temperaturen in zentraler gelegenen Gebieten der Stadt in der Vergangenheit wie auch in Zukunft vor allem in der Nacht deutlich höher liegen werden als an der Station Basel-Binningen am Stadtrand.

Klimadaten im Statistischen Jahrbuch

Umfassende Daten der Astronomisch-Meteorologischen Anstalt bzw. heute des Meteorologischen Vereins werden seit der ersten Ausgabe des Statistischen Jahrbuchs 1921 publiziert. Der Ausschnitt stammt aus dieser Ausgabe: Auch hier war der 15. September mit 19,7 °C ein warmer Tag, der wärmste im ganzen Monat – deutlich wärmer als der September-Normwert 1901-1930 von 13,9 °C.

 

 

Das Thema Klima im Umweltbericht beider Basel

Neben dem Indikator zur Jahresmitteltemperatur sind im Umweltbericht beider Basel übrigens unter anderem die folgenden und weitere Indikatoren zum Thema Klima sowie eine Einordnung in Form eines Zustandsberichtes enthalten.